Tag 24: Hamburg meine Perle

Das 621862 253733074744263 817514648 oEin bezeichnendes Bild für den gesamten Surftrip ISDML. Die Hamburger Wasserschutzpolizei zieht mich vor der Szenerie der Landungsbrücken bis zum Strand Altona. Aber dazu später, denn der Tag fing ganz entspannt an.


428789 253638384753732 1613810823 nKeine besonderen Auffälligkeiten an diesem Tag. Der Einstieg in die Elbe war problemlos unterhalb der Gezeitenschleuse Geesthacht möglich und um Hamburg zu passieren hatte ich mir Bilderbuchwetter ausgesucht. Bestimmt kommen heute noch tolle Bilder zustande und ich war gespannt was mich im Hafengebiet noch so für Abenteuer erwarten werden. Obwohl ich mich nach den vielen Tagen paddelnd auf dem Wasser körperlich sehr ausgelaugt fühlte und jeden Tag viele Eindrücke sammeln konnte ist es immer was besonderes durch Städte mit ihren vielen Menschen zu surfen. Ich paddelte entlang einer kleinen Häuserzeile, ich würde sagen Ferienhäuser. Allesamt bunt gestrichen, wie diese bekannte Häuserzeile in Bergen (Norwegen), eins schöner als das andere. Die frische Brise lockte die Segler auf den Fluss und es war schön zu sehen, dass an diesem morgen auch andere Menschen um mich herum Zeit auf dem Wasser verbrachten, auch wenn ich gegen den Wind anpaddeln musste. Eins der Segelboote kreutzte den Fluss hoch und traf bei seinen Wenden immer wieder auf mich. Ein Mann mittleren Alters, so 50 Jahre alt schätze ich, saß darin und schaute mir immer wieder interessiert zu. 337169 253655821418655 1788943189 oAls er mit seinem Segelboot sehr nah an mich ranfuhr meinte er: "Hey Sie, wollen sie mal was Interesantes sehen?" Natürlich war ich für interessante Sachen immer aufgeschlossen und er wies mir den Weg in einen kleinen Seitenarm der Elbe. Kaum zu sehen und bestimmt wäre ich daran vorbeigefahren, hätte  der Mann mich darauf nicht aufmerksam gemacht. Ich möchte garnicht wissen an wie vielen Gelegenheiten ich in meinem Leben schon achtlos vorbeigefahren bin ohne es zu bemerken. Ja und manchmal bedarf es Menschen, wie diesen Segler, die einen auf solche Gelegenheiten hinstoßen. Machen muß man es zum Schluß dann natürlich selbst, so paddelte ich mich durch das immer dichter werdende Schilf und fragte mich wie ich das Surfbrett hier wieder rumdrehen sollte. Kaum zu glauben, da ist man mitten in Hamburg und hat solche Naturerlebnisse. Glücklicherweise endete der enge Flußarm in einem kleinen mangrovenartigem Teich. Gerade groß genug um das Surfbrett darin zu wenden. Irgendwie ist das alles sehr schön hier, aber so innerlich habe ich in solchen Situationen immer das Gefühl, da schwimmt gleich eine Schlange aus dem Schilf oder eventuell eine Bisamratte oder gar noch Schlimmeres. Ich bin rastlos und wenn ich ehrlich bin habe ich dann für heute auch genug Schilfhalme gezählt. Nach dem 30-minütigen Naturschauspiel befand ich mich wieder auf der Elbe, was kam da auf mich zu? In weiter ferne sah ich eine riesige Flußgabelung auf die ich mit der Strömung langsam zutrieb. Ich hatte gedacht der Fluß geht einfach durch Hanburg durch, jetzt muss ich mich auch noch entscheiden und das möglichst fix. Vom Surfbrett mit dem iPad in der Hand entschied ich mich für die Süderelbe. Mir war so, als dass das der leichtere Weg sein mußte, weil er nicht in die Innestadt führte. 480094 253686798082224 1117637192 nReine Spekulation, aber egal ich entschied mich also für die Süderelbe und paddelte damit an einigen Industriegebäuden vorbei, unter anderem das rechts abgebildete, was mich an einen lustigen Film aus meiner Kindheit erinnerte.

Film - ja dabei wären wir auch beim Thema. Ich habe jetzt an die 16 SD-Karten mit ISDML-Filmaufnahmen voll gemacht ca. 540 GB Filmmaterial. Das ganze Zeug zu sichten und daraus einen anständigen Film zu schneiden wird wohl etwas dauern. Ich dachte nur an den Imagefilm, den ich 2007 gedreht hatte. Man war das ein Aufwand. Roman seines zeichens Kameramann unterstützte mich dabei. Angefangen mit Ideen sammeln, Drehbuch schreiben, Szenen festlegen, Akteure vor der Kamera sowie einen Visagisten finden, passende Location ausmachen, Möbel, Accessoires und Filmutensilien zusammenstellen ... echt mal krass. Aber so ist das halt und wer kann schon von sich behaupten, dass er in seiner Freizeit einen echten Film gedreht hat. Etwas verrückt sollte er sein, natürlich sexy und vor allem lustig. Gedreht wurde damals in einem Gewölbekeller mitten in Stuttgart. Ich nahm mir ein paar Tage frei, sonst wäre der Aufwand nicht zu stemmen gewesen. Allein Roman kam mit einem ganzen VW-Bus Kameramaterial an. Von Schienen, über Filmkran, Kameras, Beleuchtung, etc. hatte er alles dabei was man halt so braucht. Und auch der angemietete LKW war voll bis oben hin, mit Tischen, Stühlen, egal was, um später ein gutes Ergebnis rauszubekommen. Wir filmten vier Tage im Gewölbekeller, im Studio, im Stoffladen sowie in den Behindertenwerkstätten in denen ich die Boxershorts zusammennähen ließ. Selbst die Musik war eigens dafür komponiert. Wie ich finde ist der Film zu langahtmig geworden, aber vielleicht ging es einfach nur mal um die Herausforderung einen eigenen Film mit Inhalten zu drehen. Bei aller Arbeit spaßig war es sehr - seht selbst was dabei rausgekommen ist:

 


Ich  war schon wieder völlig in meinen Gedanken abgetaucht und merkte gar nicht was ich alles um mich herum verpasste. Ich befand mich wohl in internationalem Gewässer "dem Hafengebiet", denn die Ufer waren alle mit meterhohem Stacheldraht eingezäunt. Was bedeutete, dass es keine Möglichkeit eines Notausstiegs bei Gefahr mehr gab. Ich hatte kein gutes Bauchgefühl mehr, aber nunja wir hatten schönes Wetter und die Wasserschutzpoizei hat mich auch schon gesehen, dachte ich bei mir. Ich grüßte nur freundlich aus der Ferne, denn eigentlich war es mir ganz recht, dass Sie mich freundlicher Weise registrierten und unbekümmerter weiterziehen ließen.

221482 253729964744574 1987026872 o

Ich paddelte langsam auf die Elbrücke (siehe Bild links Hintergrund) zu, als rechts das erste große Containerschiff auftauchte. Klar mußte ich da direkt drunter paddeln und mit dem Paddel dagegenplopfen. Das klang aber entgegen meiner Erwartungen nicht hohl sondern wie eine massive Stahlplatte.  Meine Erwartung war ein hallendes Geräusch, aber das Ding war ja auch keine Cola-Dose. Am liebsten wäre ich auf den Bugwulst gestiegen und hätte ein Foto gemacht, also diese Schiffsnase auch Bulb genannt. Doch entweder war diese unter Wasser oder das Schiff hatte keine Nase. Ich fragte mich für was dieser Bugwulst eigentlich gut ist?

Beeindruckend, wenn man direkt unter einem solch riesigem, schwimmenden Schiff steht und sich die Boardwand über seinem Kopf erhebt. Ich kenne das noch von dem World Trade Center, da war ich mal 1997. Wenn man zwischen den zwei Türmen stand hat man das Gefühl gehabt die Türme biegen sich übereinander zusammen, total verrückt. Grundsätzlich fühle ich mich hier im Hafengebiet sehr klein, alles hat so überdimensionale Ausmaße. Die Kaimauern sind Meter hoch, die Kanäle tief und breit und die Elbbrücke unter der ich mich gerade befand in einer schier unerreichbaren Höhe. Ich hörte die LKW´s über die Brücke donnern. Als ich da so vor mir hinpaddelte viel mir ein, dass mein Vater Tags drauf nach Hamburg kommt, um mich das letzte Stück bis zur Nordsee zu begleiten. Also zumindestens, um die Abende mit mir zu verbringen. Ja, und ich genieße diese Zeit mit ihm immer sehr.  Wer weiß wie lange das so noch möglich ist und an die Zeit wenn meine Eltern nicht mehr da sind will ich eigentlich gar nicht denken. Das ist wie so ein Tabuthema und egal mit wem ich darüber spreche jedem geht es gleich. Die Wenigsten haben mit Ihren Eltern darüber gesprochen was dann passiert oder passieren soll. Klar macht man eine Patientenverfügung mit Generalvollmacht, aber ist es damit getan? Auch diesen Rückzugsort zu verlieren, wenns im Leben mal nicht so gut läuft? Der Rückhalt durch die vielen Gespräche, die man zusammen geführt hat, die Erlebnisse? Ich denke es verändert sich dann einfach alles. Ich paddel jetzt schon 24 Tage über die Flüsse. Alleine habe ich mich durch die vielen Menschen und Erlebnisse um mich herum nicht gefühlt, aber einsam? Wenn ich ehrlich bin hatte ich zu Beginn meiner Reise genau davor besondere Angst, einen Monat einsam zu sein. Vielleicht paddelt man ja auch sein ganzes Leben gegen diese Angst "Einsamkeit" an, besonders wenn man älter wird? Weiß Gott habe ich mir während meines Studiums über solche Fragen keine Gedanken gemacht und jetzt ist glaube ich auch der falsche Zeitpunkt. Mein Brett wird immer kippeliger durch die ganzen kleinen Wellen und am Horizont sehe ich massiven Schifffahrtsverkehr. Ohje, damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Die Norder- und die Süderelbe fließen hier glaube ich zusammen, da kommt ein kleines Abenteuer auf mich zu.

Ich halte mich erstmal am rechten Uferrand, wohlwissentlich dass ich auf die Beladungsstellen der Containerschiffe zusteuere. Aber so habe ich zumindest die Gewissheit, dass das Ufer nicht plötzlich aufhört. Die kleinen Kabbelwellen, verursacht durch die vielen Schiffe an den Landungsbrücken, machen mir Schwierigkeiten, sodass ich nur noch im knieen weiterpaddeln kann. Sie klatschen an die Kaimauern und laufen wieder zurück. Es entsteht eine Kreuzsee, die auf dem Surfbrett kaum zu beherrschen ist. Fast nicht zu glauben, aber die Wellen bäumen sich hier bis zu einem Meter gegeneinander auf. Oben an der Kaimauer des Containerhafens steht das Hafenpersonal mit einem Lieferwagen inklusive orangenem Blinklicht auf dem Dach. Zwei Mann stehen draußen und schauen was ich da treibe, sie geben mir Handzeichen ich soll mich vom Acker machen. Mir rutscht so langsam das Herz in die Hose, denn der starke Schifffahrtsverkehr reißt nicht ab und der richtige Moment die Elbe zu queren kommt einfach nicht. Ich muss jetzt rüberpaddeln, da hilft nichts - Augen zu und durch.

Der Fluss ist an dieser Stelle sehr breit, und ich muss es bis zum Ufer des Strand Altona schaffen, sonst lande ich in Mitten von Touridampfern und Kaimauern. Nach meiner Rechnung setzt die Flut in ca. 30 Minuten ein und dann wird es noch schwieriger den Ausstieg zu erreichen. Ich paddele was das Zeug hält, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich das Tempo bis zum Ufer so durchhalten kann. Ich spühre wie das Adrenalin durch meinen Körper fließt und mitten auf der Elbe ziehe ich an dem Carbonpaddel so stark, dass mir der Gedanke kommt: Was passiert wenn das Paddel abbricht? Ich habe ehrlich gesagt ein bisschen Panik, denn ob mich hier die Schiffe gegen die Sonne sehen? Zumindest wird keiner vermuten, dass hier einer mit nem Surfbrett rumpaddelt. Egal, ich gebe weiter Stoff was geht.

unspecifiedIch hab es zumindes gleich über den Fluß geschafft, von rechts kommen ein paar Sportboote und dann muss ich nur noch am Ufer hochpaddeln, als sich plötzlich unüberhörbar ein Microfonlautsprecher in meinem Rücken bemerkbar macht: "Hier spricht die Wasserschutzpolizei! Die Sportboote halten  sich bitte an die Geschwindigkeitsbegrenzung und der Paddler kommt mal längsseits." SHIT, jetzt ist es soweit, dachte ich bei mir. Ich eröffnete gleich mal freundlich das Gespräch mit: "Ich komme gerade aus Berlin den Fluß runtergepaddelt und wurde hier von der Situation überrascht." Das schien die Herren auf dem Boot aber nicht sonderlich zu interessieren und ich durfte mir demütig eine polizeiliche Belehrung anhören. Sie sprachen von Lebensgefahr und so, als ob ich das mit pochendem Herzen auf dem Surfbrett sitzend nicht wußte. Das Gespräch dauerte eine Weile und letztendlich fanden sie es dann doch ganz interessant was ich da mache. Auch am stark frequentierten Ufer haben sich zwischenzeitlich ganze Menschentrauben eingefunden und beobachteten das Geschehen. Jedoch merkte ich wie wir bei dem Gespräch langsam in die falsche Richtung trieben und zwar in die Norderelbe zurück, das war gar nicht in meinem Sinne. Lospaddeln und die Herren stehen lassen konnte ich jetzt nicht. Also fragte ich freundlich wann denn das Hochwasser einsetzen würde? Einer der Herren meinte, dass ich mich ja überhauptnicht auskenne und wie ich so uninformiert und unerfahren hier rumpaddeln könne. Unerfahren?! Aber ich hatte auch keine Zeit mich den Herren erneut zu erklären. Ich sagte Ihnen, dass mein Ziel für heute der Strand Altona sei, jetzt merkten auch sie dass wir zurücktrieben.

621862 253733074744263 817514648 oWas für eine Szenerie mitten in Hamburg Altona. Ich hätte mich kugeln können vor lachen, doch ich blieb sachlich, denn das Surfbrett wollte ich nicht verlassen. Es wurde noch besser, ich vereinbarte mit den Herren, dass ich gegen die Sonne vorauspaddel und sie mir den Rücken freihalten, falls ein Schiff von hinten, also gegen die Sonne kommen sollte. So machten wir das dann auch, jedoch konnte ich vor lauter lachen kaum paddeln, was die beiden aber von hinten und gegen die Sonne nicht sahen. Jetzt paddel ich schon mit Polizeiescorte herum, dachte ich bei mir. Natürlich wurde das nichts gegen die einsetzende Strömung und die beiden Herren meinten dann, ich sollte ausnamsweise mit dem Surfboard an Board kommen. Die Promenade war zwischenzeitlich gefüllt mit Menschen, die uns beobachteten. Ich hatte da jedoch eine andere Idee und schmiss dem einen Polizeibeamten das Ende meines Mitnehmers zu. Erst etwas zögerlich, dann aber mit einem leichten Grinsen im Gesicht befestigte er den Mitnehmer am Schiff und ich surfte wie ein echter Abenteurer an den ganzen Menschen auf der Promenade vorbei. Wie cool war das denn, ich kam mir dabei vor wie der Silversurfer persöhnlich! Am Strand angekommen ließ ich die ganzen Ereignisse bei einem Bierchen vom Strandkiosk revuepassieren, und merkte, wie sich mein Adrenalinspiegel wieder senkte. Unerfahren nannte mich der eine Polizist, wobei ich doch fast 10 Jahre in Wilhlemshaven gelebt habe und die Stürme und Sturmfluten nicht schlimm genug sein konnten, um mit dem Windsurfbrett oder dem Kitesurfmaterial ins Wasser zu steigen. Einmal zogen wir Kati eine befreundete Windsurferin an einer Kaimauer in Hooksiel aus dem Wasser. Sie hatte damals keine Wahl, der Wind trieb sie mit ihrem Windsurfmaterial gegen die Mauer. Dort angekommen zog sie der Sog entlang der Kaimauer in die Tiefe, das war damals schon wirklich haarscharf. In letzter Minute konnten wir sie gemeinsam dort aus der Situation retten, Kati feiert an diesem Tag bestimmt heute noch ihren zweiten Geburtstag. Tss- und das war nur eine Erfahrung. Dome und Mela holten mich in Altona ab, wir gingen in Eimsbüttel noch etwas essen, die Nacht war dann wieder Couchsurfen angesagt. 

Was für ein Tag!

Kontakt

Schreib mir eine kurze Nachricht